Five sex rooms und eine Küche

Five sex rooms und eine Küche

79 min
D 2007, Original mit Engl. Untertiteln

Verleih GM films www.gmfilms.de 
Video on demand www.realeyz.de

mit Lady Tara, Nadine, Tina, Cindy, John T. 
Kamera Rainer Komers 
Tontechnik Jens Ludwig 
Schnitt Michèle Barbin, Eva C. Heldmann 
Künstlerische Beratung Dennis Couzin, Lily Bisilly 
Musik Hubert Machnik
Musiktitel  "Er ist weg gegangen" von Chiha
(Berberlied aus Tunesien)
Arie der Königin der Nacht, aus "Die Zauberflöte" von W. A. Mozart, Wiener Mozart Orchester 
Buch, Regie Eva C. Heldmann 
Webseite Lady Tara www.studioenigma.de 
Gefördert mit Mitteln der Hessischen Filmförderung 

Der Film gibt Einblicke in den Alltag eines von Frauen geführten Wohnungsbordells. 
Lady Tara, die kluge, reflektierte Domina ist die Betreiberin des Bordells. Drei weitere Frauen arbeiten mit ihr. Nadine, ist verliebt in einen Tunesier. Sie weiß, wie kompliziert ihre Lage ist. Das "Weiße Studio" ist ihre Domäne. Tina, ist eine erfahrene, liebevolle Prostituierte, deren Bereich das "Schwarze Studio" ist. Auf Cindy, die Anfängerin und auch die Jüngste im Bordell, sind die Kolleginnen zuweilen eifersüchtig. 

Der Film ist eine Plattform für die Ansichten der Frauen. Zum Beispiel Lady Tara über sich selbst und die Gesellschaft: "Ich habe in meinem Leben so viel gevögelt. Das war schön in dem Moment, aber das war nichts Besonderes und da ist auch nichts Heiliges dabei. Das ist wie, wenn ich mit jemandem ein gutes Gespräch habe. Was soll an Muschi und Schwanz so heilig sein? ... Warum kann man eine Prostituierte nicht lassen wie sie ist? Für Unglück oder Glück einer Hure ist nicht gleich der Staat verantwortlich. Viele Frauen sind in ihrer Ehe unglücklich, deswegen wird die Ehe auch nicht abgeschafft."

Die Sex Rooms sind unterschiedlich ausgestattet, entsprechend den vielfältigen Bedürfnissen: der weiße (Medizin-) Raum, das schwarze (S/M) Studio, das griechische, das blaue und das gelbe Zimmer. In der Küche findet das Leben zwischen der Arbeit statt: warten, lesen, schminken, telefonieren, schwatzen und kochen.
Die stöckelnden High Heels im Flur verbinden die Küche mit den Räumen, hier vermischen sich die Geräusche: die Waschmaschine, das Klappern der Töpfe, das Radio, der Sex in den Zimmern, der Tratsch und das Herumalbern. 
Farben und Bewegung bereichern die dokumentarische Realität des Films: Rot, Grün, Lila und Gelb verändern besonders den Flur zwischen den Räumen. High Heels tanzen in schreienden Farben und grellem Licht, sie verselbstständigen sich zu einem schnellen Ballett der Dominanz, der Künstlichkeit und des Vergnügens. 

Prostitution ist Teil unserer sozialen Realität. Heimlich geduldet, verurteilt, mit Gewalt und Menschenhandel assoziiert oder in Randbezirke und in so genannte Rotlichtmilieus verdrängt. Die Heimlichkeit regt aber auch zu Phantasien anderer Sexualität an. 
Mutige Freunde erzählen zuweilen von ihren Erfahrungen im Bordell. Für Frauen bleibt der Zutritt verwehrt, es sei denn, sie arbeiten dort. Prostitution ist ein Spezialberuf mit vielen Facetten und Formen (vom Straßenstrich bis zum teuren Escortservice). Dass er viele, die in dem Beruf arbeiten auch zum Nachdenken anregt, erfüllt und glücklich macht, ist kaum vorstellbar.   (Annette Brauerhoch)

Festivals
 Premiere Pornfilmfestival Berlin 2007  
 


Presse

taz 28.8.2008
Nacktfrösche und S/M-Königinnen

Sex als Lebensform und Profession: „Five Sexrooms und eine Küche“ von Eva C. Heldmann zeigt den Alltag in einem Frankfurter Wohnungsbordell aus einer unverkrampften feministischen Perspektive. 
Für auf extreme Highheels stehende FetischistInnen ist „Five Sexrooms und eine Küche“ unbedingt empfehlenswert. Ein gefühltes Drittel des Dokumentarfilms von Eva C. Heldmann zeigt gepflegte Frauenbeine von realistischer Länge, die auf Plateausohlen und superspitzen Absätzen durch den Flur stöckeln. 
Auch in der Küche bieten die plastikfarbenen Fantasiegebilde den Blickfang für die Kamera. Es geht gemütlich zu. Das Ikea-Inventar ist sparsam, gekocht wird auch, nur ist leider kein Olivenöl da. Wenn die Telefone auf dem Tisch zirpen, führen die Frauen ihre Kundengespräche mit professioneller Launigkeit – eine freundschaftlich-zärtliche Tonart, die man anderswo oft vermisst. „Schönen guten Tag“ zieht sich als melodiöser Spruch durch Eva C. Heldmanns Stimmungsbericht aus einem Frankfurter Wohnungsbordell. 
Tina und Nadine sind füllige Frauen mit Langhaar und Tattoos, in schwarze Lederkleidchen von Hüftlänge eingepellt. Ihre schwarze Hundetöle schlummert im Körbchen. In den Pausen werden Bücher gelesen. Lady Tara, eine Domina jenseits der vierzig, weniger puppenhaft als die Kolleginnen, zeigt beiläufig ihr Fleisch, wenn sie beim An- und Auskleiden ins familiäre Ambiente hereinschneit. Dann ist da noch Cindy, die schmale Junge, die wortlos an ihren abenteuerlichen Catsuits nestelt und öfter beim Sauberwischen gefilmt wird. Nüchtern deklarieren alle Frauen am Telefon ihren Typ und ihre Spezialitäten. 
Die Kamera von Rainer Komers kann sich den skurrilen Momenten des Spektakels nicht entziehen, zum Beispiel zeigt sie Cindys Hinterbacken in rotem Netzwerk, wo das Mädchen wie aufgespießt auf den spitzen Absätzen aussieht, wenn es in der Hocke mit dem Kehrblech hantiert. Futter für VoyeuristInnen liefert der Film, nur sind die Weiblichkeitsfetische hier vergleichsweise realer und lebendiger als die Sexikonen von Bettina Rheims. Subtilen Glanz verleiht den Bildern die Musik, zum Beispiel der Gesang einer Berberin oder Mozarts „Arie der Königin der Nacht“. 
Eva C. Heldmann ist eine Frankfurter Kinomacherin und Programmkuratorin aus dem Umkreis der Zeitschrift Frauen und Film, die seit 1984 auch Dokumentarfilme dreht. Sex als Lebensform und Profession, gesehen aus einem unverkrampften feministischen Blickwinkel, ist ihr Thema. „Fremdgehen. Gespräche mit meiner Freundin“ (1999) handelt z. B. von den sexuellen Begegnungen einer feministischen Intellektuellen mit der „Fremde“, d. h. mit schwarzen GIs, die in der Frankfurter Region stationiert waren. Auch „Five Sexrooms und eine Küche“ ist ein Plädoyer fürs „Leben und leben lassen“. 
Der Film wirkt wie ein unangestrengter Beweis der Lebenstüchtigkeit und des Selbstbewusstseins von Prostituierten. Er funktioniert wie ein explizites Widerwort gegen Alice Schwarzers ideologische Sanktionierung der Prostitution. Tina, eine S/M-Expertin für die „Gemeinschaftserziehung“ von (oft uneingestandenen) Bisexuellen, ist die Chefin des Ladens und eine patente Philosophin des Gewerbes. Sie besteht auf ihrer Lebenserfahrung, dass Vögeln „nichts Heiliges“ sei, dass Debatten über Zwangsprostitution und Gewalt nur die Extreme verallgemeinerten. Aus Tinas gelassener Sicht wird Sex mit Prostituierten überbewertet – ob man den „Körper eines anderen benutzt oder wie bei einem guten Gespräch dessen Geist“, sei doch gleich. 
„Five Sexrooms und eine Küche“ entmystifiziert das Thema Prostitution durch solche Statements. Doch leider weckt der Film zwar mitfühlende Neugier, lässt Fragen nach den Details und Betriebsgrundlagen des Bordells jedoch aus. Vor allem: wieder einmal bleiben die Freier unkenntlich und unsichtbar. Bis auf ein paar behaarte Beine, Stöhnlaute aus dem Off oder einen kleinlauten Nacktfrosch bei der S/M-Behandlung – durch Spiegelaufnahmen und aussparende Bildausschnitte verfremdet – fehlen sie. 
Lästige Realien wie Bezahlung, Kondome, Krankheitsvorsorge und Gewerbeordnung bleiben außen vor. Die Mystifikation dieser heterotopischen kleinen Welt wird durch die Bildführung wieder eingeführt, wenn die Kamera aus einem Blickwinkel, der dem von Tinas Hündchen gleicht, den Catwalks der Highheels durch den Bordellflur folgt und die Sinfonie der Beine den Film dominiert. CLAUDIA LENSSEN